Konzertreview: Dicht & ergreifend im Schlossgarten Prüfening

Julia Hauser, Jan-Mirco Linse  27. August 2021 Allgemein

„Wem geht’s grad so guad wie seit oanahalb Joh nimma?“  

Diese Frage stellten Lef Dutti und George Urkwell – besser bekannt als „Dicht & ergreifend“ – am vergangenen Sonntag ihrem Publikum im Prüfeninger Schlossgarten. Denn schon so lange mussten die Fans warten, um gemeinsam mit ihren Lieblings-Mundart-Rappern aus Niederbayern (wohnhaft in Berlin) wieder zu tanzen und singen. Aber alles auf Anfang: Im Frühjahr 2021 setzten die „Dichtis“ ein Zeichen, indem sie mit vielen anderen Künstler*innen, insbesondere aus der Rap- und DJ-Szene einen zwölfminütigen Track mit dem Titel „Ohne uns“ veröffentlichten, in dem die Not der Kulturszene während der Coronapandemie angeprangert wurde. Im Musikvideo rappten „Dicht & ergreifend“: „Ohne uns werds stad“ – auf einer riesigen Bühne in einem Fußballstadion. Natürlich ohne Publikum. 

Einerseits wird klar, dass selbstverständlich auch ihnen der Ernst der Lage bewusst war, andererseits betont der Song wie sehr sich die Musiker*innen vom Staat vernachlässigt fühlten was Förderung und finanzielle Hilfen in dieser Krise angeht. Neben all diesen ernsten Inhalten wurde aber besonders deutlich: Sie alle haben unbeschreiblich viel Bock, Musik zu machen, Konzerte zu spielen und gemeinsam abzugehen. So ließ die Ankündigung der sogenannten Vollkontakt-Konzerte nicht lange auf sich warten: Sobald alle Kontaktbeschränkungen fallen, sei es in einigen Wochen oder vielen Monaten, soll ein „Dicht & ergreifend“-Konzert stattfinden, wie wir es in vorpandemischer Zeit gewohnt waren. Die Location dafür scheint perfekt: Das alte Wirtshaus von Urkwells Mama im schönen Niederbayern fasst durchaus eine große feiernde Meute. Klingt erstmal etwas unsicher. Wer aber glaubt, die Menschen hätten mit dem Kartenkauf gezögert, liegt  falsch: Die Tickets waren innerhalb kürzester Zeit vergriffen. Um noch mehr Vollkontakt zu ermöglichen, mit und zwischen den Fans, stockten die Dichtis kurzerhand auf sechs Vollkontakt-Konzerte auf. Einen Teil des Erlöses (genauer gesagt 40.000 Euro) ließen sie dabei dem Pflegepersonal des Klinikums Passau bei einer „Spendenübergabe mit musikalischer Untermalung“ zukommen. Ein weiterer Teil ging an die Mitwirkenden des „Ohne uns“-Tracks. 

Die „Inzi Dance Tour“ 

Diese Aktionen verfolgten die Fans der „Dichtis“ während der starken Corona-Beschränkungen im Winter und Frühjahr. Insbesondere die gemütlichen und unterhaltsamen Ankündigungsvideos, aber auch die Solidarität der Gruppe bereiteten Tausenden gute Laune – ließen auf Zeiten mit Livemusik und Feiern hoffen, auch wenn das zum damaligen Zeitpunkt noch unvorstellbar war. Mitte Juni dann die großen News: Der Name für die für Sommer 2021 geplante „Viva con Cognac Tour“ ändert sich drei Wochen vor Tourstart zu „Inzi Dance Tour“. Mit dem Namen änderte sich auch das Konzept, denn egal was „Dicht & ergreifend“ macht, es wird immer deutlich, dass ihnen die Nähe zu den Fans unglaublich wichtig ist. „Des wird geil, dats eich ned owe“, priesen sie die Konzertreihe im Vorfeld an.  

Sie sollten Recht behalten – und wie! Auch für die beiden Auftritte im Prüfeninger Schlossgarten waren die Karten – selbstverständlich – bereits einige Tage vor den Events restlos ausverkauft, die „Dichtis“ füllten die Location bis auf den letzten Platz. Zugegeben: Die Wettervoraussetzungen waren eher suboptimal, da sich bereits den ganzen Nachmittag in regelmäßigen Abständen starke Regenschauer über der Stadt entleert hatten. Aber wer nicht gut genug mit Regenklamotten bekleidet war, wurde spätestens vor Ort mit einem kostenlosen Regenponcho ausgestattet. Außerdem tröstete das harmonische Ambiente über die Widrigkeiten des Wetters hinweg: Biertischgarnituren mit vielen Menschen, denen die Vorfreude ins Gesicht geschrieben stand, unter großen Lichterketten. Schon beim Warm-up ließen Liquid & Maniac nicht zu, dass den Fans in der Nässe kalt wird: Sie heizten den Konzertbesuchenden mit ihren Tracks ordentlich ein. Die beiden sollten nicht die letzten Special Guests des Abends sein, wie sich später herausstellte. 

Auch in der wirklich kurzen Überbrückungszeit zum Start von „Dicht & ergreifend“ kam keine Langeweile auf: Ein Blick zum Merch-Stand sorgte durchaus für Erheiterung… Neben klassischen Patches, T-Shirts und Alben gab es sogar einen „Gin zi Dance“ (einen Gin passend zur Tour) und FFP-Steif-Masken (was wird das wohl sein – klar, Kondome) erwerben – es hätten ob der Witterungsbedingungen nur noch Handtücher gefehlt, um die Ausstattung an diesem Abend perfekt abzurunden. 

Der Wert muss steigen! 

Pünktlich um 20 Uhr stürmten die „Dichtis“ dann die Bühne – und niemanden hielt es mehr auf den nassen Bierbänken. Doch nicht nur die Fans klatschten in die Hände, auch der Regen prasselte wie tosender Applaus vom Himmel – so stark wie noch nicht zuvor an diesem Tag. Der ersten Szene tat dies dank Bühnenüberdachung keinen Abbruch: Während der Regen lautstark auf die Ponchos trommelte, wurde auf der Bühne „Inzi“, ein Affe in Bundeswehrklamotten vorgestellt, der uns im Laufe der Show noch öfter begegnen sollte. Hätte die Crew nicht eingangs erwähnt, dass dies der vierte Tag in Folge war, an dem sie spielten, und ihre Batterien dementsprechend nicht mehr ganz voll seien – niemand hätte es jemals geahnt, denn es folgten zwei Stunden pure Energie. 

Obwohl es (noch) kein Vollkontakt Konzert war, meisterten es die „Dichtis“ grandios, eine Verbindung zum Publikum aufzubauen. Besonders der „Inzi Dance“ hat es allen angetan: Dazu wurde der Affe Inzi auf die Bühne gerufen und alle performten gemeinsam die von ihm vorgetanzte Choreo. Währenddessen wurde der „Inzi Dance Wert“ gemessen, der stieg, je besser das Publikum mittanzte. Da es galt, diesen möglichst in die Höhe zu treiben, gab es im Laufe des Abends mehrere Durchgänge. Beim letzten Mal eskalierte die „Inzi Dance“ völlig, als Inzi die Affenmaske abnahm und sich als Tänzerin und Choreographin Nina Valenci entpuppte, die nun noch zeigte, welche Moves sie sonst noch drauf hat. Zwischendurch gab es eine kurze Verschnaufpause in dem Sinn, als dass alle ihre Handytaschenlampen und Feuerzeuge zückten, um ein Lichtermeer zum Gramington Remix der Nummer „Weydundagang“ zu erschaffen. Den Titel des Songs hatte wohl auch die nächste Regenwolke gehört und stimmte direkt mit einem erneuten Wolkenbruch mit ein. 

Auf die Ansage nach einer dreiviertel Stunde, dass es jetzt erst richtig abgehen würde, antwortete das Regenponcho-Kollektiv selbstverständlich euphorisch und ließ sich weiterhin nicht von der Wetterlage beirren, geschweige denn am Tanzen hindern. Gesagt, getan: Die Show war bis zum Ende eine absolut energiegeladene Abrissparty. Nur einmal wurde die Stimmung nachdenklich: Beim Titeltrack des zweiten Albums, „Ghetto mi nix o“. „Dicht & ergreifend“ definierte sich schon immer als politische Band und so riefen sie dazu auf sich bewusst zu machen, in welch einer privilegierten Lage wir in diesem friedlichen Land sind, während andere täglich um ihr Leben fürchten und dass wir trotz dieses Wissens die Bedrohten in unserem Alltag meist ausblenden. 

Auch brandneue Tracks 

Die Songauswahl war bunt gemischt: Neben Altbekanntem wurde auch ein brandneuer Track gemeinsam mit Liquid & Maniac vorgestellt, bei „Ohne uns“ performte Ria, die First Lady des Bavarian Rap, ihren Part und auch Crewmitglieder wie DJ Spliff griffen zum Mikrofon. Und was darf bei einem richtigen Konzert nicht fehlen? Klar, Stage-Diving. Auch hier wurde den Fans nicht zu viel versprochen: In den sogenannten „FFP-Dive Masken“ – weiß verschleierte Sänften, die sechs Personen auf den Schultern trugen – schwebten die Dichtis zu „Wandadoog“ durch die Menschenmenge. 

Pünktlich zum Ende des Konzerts ließ der Regen tatsächlich nach und so konnten alle ihre Regenponchos wie wild zum „Schofal Boogie“ durch die Luft schwingen. Jede Minute bis 22 Uhr wurde ausgekostet – letztlich durften sogar noch Mitwirkende und ausgewählte Fans mit auf die Bühne, um gemeinsam zu „Zipfelschwinga“ abzudancen.  

Die Fans wurden nicht enttäuscht – der Großteil der Anwesenden dürfte heiser vom Singen und Schreien, durchnässt aber vor allem glücklich und unbeschreiblich beeindruckt von dieser Energieshow, die „Dicht & ergreifend“ und das Publikum abgeliefert hatten, die Heimreise angetreten sein. Der Abend bescherte ein gutes Stück Festivalfeeling. Und ja, bestimmt ging‘s dem einen oder der anderen „so guad wie seit oanahalb Joh nimma“.  

Bild: Jan-Mirco Linse

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